TF MAPPING

Tunnel Köpenicker Str. / Bethaniendamm


auch: operativer Vorgang Biskaya
West-Ost Tunnel
Länge: unvollendet
Ziel: Häuser am Engeldamm

Auf die open-streetmap - Karte wurden die
früheren Grundstücksgrenzen und Gebäude projiziert.
Mauerverlauf, Eckkneipe und ehemalige Toilettenanlage sind rot markiert.
Am 17.7.62 wird der Tunnelbau bekannt. Ein Westberliner IM der Hauptabteilung (HA) II des MfS berichtet über einen möglichen Fluchttunnel, der an der Ecke Köpenickerstraße / Fritz-Heckert Straße gebaut werden soll, und zwar aus einem Ecklokal heraus, das seit dem 13.8.61 geschlossen ist.
Die Fritz-Heckert-Straße ist der heutige Engeldamm, der in der DDR nach dem Chemnitzer Arbeiterführer benannt war; näheres zur Personalie im "link" am Seitenende)
Ein Bericht vom 20.7. weist auf eine ehemalige Toilettenanlage an der Köpenickerstr. /Fritz-Heckertstr. hin, die seit dem Mauerbau außer Betrieb ist. Ein Standposten sei direkt daneben, die Mauer könne ohne Geräusche und damit Entdeckung nicht durchbrochen werden. Der Einsatz eines IM, wohnhaft am Mariannenplatz, wird vorgeschlagen.
Am 7.8.ist bekannt, dass es sich um die ehemalige Gaststätte "Grenzquell" handelt, die Ecke Köpenicker Straße /Bethaniendamm liegt. Fünf Jugendliche hätten den Tunnel begonnen, der Bau sei aber eingestellt worden, wegen einer Mauer, auf die der Tunnel gestoßen ist. Ein Fallrohr deutet möglicherweise auf eine Toilette hin, die an dieser Stelle war.
Von der AG Paßkontrolle, Fahndung Abt. II kommt die Identifikation von zwei der Jugendlichen: es handelt sich um ehemalige Bürger der DDR: - Dieter P. und Helmut R., - der „rote Kalle“. Offensichtlich sollen die Eltern geschleust werden, R. soll Kontakt zum " Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen haben".
Damit hätte die Sache eigentlich erledigt sein können, trotzdem wird noch der Grundstücksbesitzer ermittelt und weiter beobachtet - und es wird tatsächlich Sand abtransportiert. Damit wird der "Vorgang" zum Operativen Vorgang "Biskaya".
Das Gebäude wird weiter beobachtet. Vom 16. bis zum 27.8. liegen Observationsprotokolle vor. Die Daten sind allerdings recht lückenhaft, was vermuten lässt, dass nicht alle Akten gefunden wurden. Zusätzliche Mitarbeiter werden aktiviert. Am 24.8. trifft eine der eingesetzten "Kontaktpersonen" (KP) zufällig einen Bekannten, Kurt R., der ihn zu sich nach Hause einlädt; er wohnt im Objekt "Biskaya". Vermutlich stammt von diesem Besuch auch die Skizze der Innenräume der Gaststätte.
Am 27.8. wird von der Westpolizei zwischen Mauer und Haus eine Stacheldrahtsperre errichtet, vage Arbeitsgeräusche aus dem Gebäude sind hörbar, die Beobachtung wird fortgesetzt. Am selben Tag besucht die KP den Kurt R. zu Hause und wird zu einer Feier eingeladen. Sofort wird vermutet, dass diese Feier am 7.9. ein Schleusungstermin ist.
Am 6.9. trifft die KP Kurt erneut; der erzählt, das vor ca. 6-8 Wochen ein Tunnel gebaut wurde, der an einer Betonmauer scheiterte. Die Polizei und Amerikaner wären mittlerweile da gewesen und hätten den Tunnel wieder verfüllt.
Auch jetzt wird der Vorgang nicht abgeschlossen. Leider sind die Akten sehr lückenhaft und liefern kaum weitere Informationen.
Festgehalten ist lediglich, dass der im Zusammenhang mit dem Castillon-Tunnel am 6.10.62 inhaftierte Fluchthelfer W. aussagt, die beiden Tunnelgräber Wagner und Seidel planten einen Tunnel im Bereich Engelbecken. Vom 20.11. liegt ein weiterer Observationsbericht vor, nach dem gegen 9 Uhr 30 "7 Mann und 3 Düpos" beim Betreten der Biskaya beobachtet wurden, danach seinen "Klopf- und Schürfgeräusche" vernehmbar gewesen.
Erst für den 16.5.63 findet sich ein handschriftlicher Akteneintrag; danach wurden Festnahmen gemacht, eine Grabung soll durchgeführt werden, der Vorgang soll abgeschlossen werden, der Tunnel blieb unvollendet.





Blick von der Ecke Köpenicker Straße / Bethaniendamm nach Süden zur Thomaskirche, links das ehemalige Objekt "Biskaya". E. Koelle, 1982. Das Bild lässt sich durch Anklicken vergrößern.





Blick von einer Ausssichtsplattform am Bethaniendamm nach Norden über die Grenzanlage. Rechts im Bild im Anschluss an die Altbauten liegt das Objekt "Biskaya". E. Koelle, 1982. Das Bild lässt sich durch Anklicken vergrößern.




Blick von der Schillinbrücke nach Süden auf Köpenicker Straße, Bethaniendamm und Engeldamm zur Thomaskirche. Auf dem "Biskaya"-Gelände ist heute eine Autowerkstatt. U. Bauer, 2012, Das Bild lässt sich durch Anklicken vergrößern.



Quelle:
Akten der Hauptabteilung I und II: HA 13255 , HA I4300

Text: Uli Bauer


Biografisches zu Fritz Heckert